
Auch Regentage können ihren Reiz haben - solange es nicht aus Kübeln schüttet. Das Tal dahinten, da wollte ich hin...da geht's nach Villa O'Higgins...
Regentage, diesmal in Puerto Williams, Isla Navarino, Provinz Magellanes und chilenische Antarktis (gleich neben Kap Horn). Erhole mich vom "Dientes de Navarino" - Trek, den ich (wegen Schnee und Wetteraussicht) statt in 4-5 in 3 Tagen durchgelaufen bin...Glück gehabt mit dem Wetter, bzw. damit, dass die Vorhersage gestimmt hat.
Internet hier ist so langsam wie der ganze Ort, daher versuche ich mal eine neue Variante Blog: Kurzbericht gefolgt von Bildergeschichte. Mal sehen, ob/wie das hinhaut...
Also, von vorne: Nach dem Trek aller Treks und der kurzen Überlegung, ob ich jetzt nicht doch mit Wandern aufhören muss, weil ich nie nie wieder einen derart großartigen Trail wie Huemul laufen werde, habe ich in Chalten ein paar Tage abgewettert und auf die Grenzwanderung gewartet (=Straße nicht gesperrt und das Boot fährt). Ich war an dem einzigen Tag, an dem es nur ein bisschen geregnet hat, noch mal beim Fitz Roy und habe eine 24 km Abschlussrunde durch den Park gedreht...die geplante Wanderung Richtung Grenze von zwei auf einen Tag verkürzt, weil Zelten bei Null Grad im strömenden Regen und Sturm muss dann mit Ansage auch nicht sein - und bin nach einer weiteren durchregneten Nacht fröhlich um 7.30 im Shuttle zum Lago Desierto auf Schlaglochstraßen durch metertiefe Pfützen gegondelt, bis zu dem Punkt, wo uns der Bootsführer im Jeep entgegenkommt und ich nur "calle cortado" und "trozo" höre und sich herausstellt, das heute wieder nix wird mit Grenzwandern, Straße überspült und gesperrt, keiner kommt durch, muss man auf den Reparaturtrupp warten, vielleicht heute nachmittag, vielleicht morgen, esto es Patagonia...long story short, ich habe dann eine Kehrtwende in meiner Planung gemacht und bin mit meinem gepackten Wanderrucksack in den nächsten Bus nach El Calafate und von dort mit dem Flieger nach Ushuaia (Marketingslogan "Fin del mundo", am Beagle-Kanal), wo ich hoffte, mit dem Boot zur chilenischen Isla Navarino überzusetzen. Das hatte ich eigentlich für Dezember geplant, aber ob des Ansturms von Wanderern sogar auf relativ schwierige oder angeblich wenig begangene Trails habe ich da zur Weihnachtszeit durchaus Bedenken, ob das so die ideale Wahl ist...hat also auch sein Gutes.
Nachdem aus dem dortigen Puerto Williams die Nachricht kam, dass der "Dientes de Navarino" Trail (Marketing Slogan: "der südlichste Trek der Welt") angeblich schon begehbar ist und einigem Zittern (ich kann nicht mit, weil ich am Tag vorher hätte buchen müssen; ich kann mit, aber das Boot fährt nicht wegen Wind) lande ich also gegen Mittag am 20.11. statt in Villa O'Higgins in der chilenischen Antarktis - aber immerhin in Chile. Das legendäre Hostal "El Padrino" hält alle Versprechen, ich werde mit Trailtipps ausgestattet, bestens unterhalten inklusiver anarchistischer Kommentare zur politischen Lage im Land und warum Wahlen nicht helfen Gewalt aber schon, und am nächsten Tag zum Trailhead gefahren. Ja, es gäbe viel Schnee, sei aber alles kein Problem, Wetterbericht ist für die nächsten 3 Tage gut, dann schlägt es um - aber das sollte reichen, um über die Pässe zu kommen...der nette Spanier ist den Trail in 3 Tagen gegangen, geht also zur Not auch. Nervös bin ich trotzdem, irgendwie hat mir mein Torres del Paine Abenteuer ein Pass-Trauma verpasst, das selbst Huemul nicht heilen konnte.
Ich laufe also bei wunderbarem Wetter los, Sonnenschein, Sicht bis tief rein nach Feuerland, der Beagle-Kanal strahlt, der Wald glitzert, der Rucksack ist (trotz Essen für5-6 Tage) gar nicht soo schwer - ich bin in knapp 2 Stunden über den ersten Pass rüber, allet easy - und dann kommt der Schnee. Viel Schnee. Und dann noch mehr Schnee. Und dann wieder ein bisschen Matsch und Geröll und dann - Schnee. Puh. Ganz ehrlich, damit hatte ich nicht gerechnet. Mit Schnee auf den Pässen, ja, auch mit dem einen oder anderen Schneefeld, aber mit 80% gehen auf Schnee, in allen Tälern, selbst auf 400 m? Der zweite Tag wird dadurch zum Mantra Tag - auf halber Strecke wechsle ich von "ich hasse Schnee, ich hasse Schnee" und "was mache ich hier, was mache ich hier" zu "Du schaffst das, Du schaffst das". Ausserdem wird aus dem Rennen gegen das Wetter (Sturm an Tag 3, Regen an Tag 4) auch noch ein Rennen gegen die Sonne (je später der Tag desto weicher der Schnee desto schwieriger und riskanter das Vorankommen), sprich aufstehen um 4.30, los um 6, keine Pausen - irgendwie, naja, unentspannt. An den 2. Tag habe ich entsprechend kaum Erinnerungen - Dientes de Navarino, ja stimmt, da waren so Berge im Hintergrund, aber mein Hauptfokus lag ja auf den Spuren im Schnee und, ach ja, habe ich noch nicht erwähnt, wegen des Schnees sieht mensch natürlich die Markierungen nicht, was aber ab der Mitte des 2. Tages eh relativ egal ist, weil ab da nur noch mehr oder weniger zielführende Steinmännchen in größer werdenden Abständen. Also läufst Du in den Fussstapfen Deiner Vorgänger und hoffst, dass die sich nicht verlaufen haben und schwerer waren als Du. Was glücklicherweise beides meistens zutrifft.
Am Ende des zweiten Tages komme ich auf einer kleinen Anhöhe zwischen zwei vereisten Seen an die einzige Campingstelle und freue mich total über einen netten, geschützten, relativ ebenen und trockenen Zeltplatz - nur um dann festzustellen, dass dort irgendein Vollhonk einen Kackhaufen samt Klopapier hinterlassen hat. Im Ernst. Mitten in der Wildnis scheisst jemand auf den einzigen vernünftigen Zeltplatz - mir fehlen echt die Worte (mehr dazu demnächst in meinen Extra - Blog: Tourismus, Land und Leute oder wie dumm kann ein Mensch sein?).
Ich habe erfolgreich Etappe 2 und 3 in einem Tag geschafft und der Wettergott schenkt mir noch eine Stunde Abendsonne - reicht nicht zum Sockentrocknen, ist aber trotzdem schön. Am nächsten Tag weiter, Mantra "ich muss über den Pass", es gibt - Schnee, mehr Schnee, noch viel mehr Schnee (aber jetzt, wo ich weiss, was mich erwartet, nehme ich das irgendwie gelassener) und dann treffe ich kurz vor dem Anstieg auf den Paso de Virginia auf einen Brasilianer, dessen Ladekabel und damit Handyakku und damit GPS-Signal den Geist aufgegeben hat - was für ein Alptraum. Ich mache also auf dem unübersichtlichsten und schwierigsten Teil des Trails, der quasi unmarkiert 450 Höhenmeter ansteigt (durch verschneiten Wald, yeah) auch noch den Reiseführer. Egal, Hauptsache weiter. Auf dem Pass wächst sich der Wind zum Orkan aus, der mich manchmal minutenlang am Weitergehen hindert - großer Spaß! Aber dafür liegt oben kaum noch Schnee. Ein letztes Snickers, und ich bin rüber - um 12 schmeisse ich auf der Aussichtsplattform am Lago Guanacos den Gaskocher für die Asia-Nudeln und den Cappucino an, und beschliesse, Etappe 5 gleich dranzuhängen, weil Wetter schön und ich grad erst warmgelaufen. Nach 2 Stunden lustigem Kreuz- und Quer durch Schnee, Sumpf, Wälder und Wiesen, einer weiteren Stunde pfadlosem querfeldein- bzw. abhechten und einer Stunde entspanntem Gehen auf der Landstrasse direkt am Meer (bzw. Kanal) nimmt mich das erste Auto mit, das in meine Richtung fährt. Padrino ist voll, also gönne ich mir ein Hotelzimmer, dusche etwa eine halbe Stunde und fröhne dem Luxus der Zivilisation (Wäsche waschen. Spültoilette. Internet). Beim Abendbier fühlt sich das alles dann schon richtig heroisch an (und ich bin nicht mal müde. Oder vielleicht auch nur immer noch zuviel Adrenalin im Blut). Trotzdem bleibt ein bisschen das Gefühl, gerannt zu sein statt genossen zu haben, auch wenn der Dauerregen am nächsten Tag meine Entscheidung sehr bestätigt.
Ich bin auch froh, dass ich jetzt in der Vorsaison hier war - ich bin mir sicher, dass der Trail Weihnachten viel zu voll ist, und so war ich, bis auf mein brasilianisches Hilfsprojekt, komplett allein. Schön war das! Jetzt chille ich hier, schaue auf den Beagle-Kanal, laufe morgen noch mal ein Stück durch den Zauberwald und dann geht es ab nach Punta Arenas und am Donnerstag aufs Schiff. Ich hoffe, meine Abneigung gegen Schnee legt sich bis dahin wieder, sonst habe ich ein Problem. Hurtigruten stellt übrigens einen Live-Link zum Schiff zur Verfügung, falls irgendjemand das Bedürnis hat, meinen Schiffsweg in der Antartkis nachzuverfolgen, gern melden (-:
So, jetzt versuche ich noch mein Glück mit den Fotos - so richtig "kurz" ist die Geschichte ja nicht geworden, und dann noch kurz in die Abendsonne, die zeigt sich grad.



































